Eine Brücke, die Freude ausstrahlt
Johann August Röbling aus Mühlhausen zum 200.


Von Werner Hentz



Johann August Röbling wurde am 12. Juni 1806 in Mühlhausen geboren. Nach der Grundschule wechselt Johann auf das städtische Gymnasium. Er legte während der Sommerferien bei seinem älteren Schulfreund Ludwig Lies in Eschwege ein Bau-Praktikum ab und erhielt mit 14 Jahren ein Zeugnis als „Baumeister“. An der Privatlehranstalt von Ephraim S. Unger in Erfurt vertiefte er seine Kenntnisse in Mathematik und studierte Vermessungslehre. Dort schloss er mit 18 Jahren die Ausbildung ab und begann 1824 sein Studium für Architektur und Ingenieurwesen an der Königlichen Bauakademie in Berlin.

Johann besuchte während der Semesterferien 1827 die Domstadt Bamberg, um die erste deutsche Hängebrücke zu sehen, die gerade im Bau war. Es war für ihn ein unvergessliches Erlebnis. Von der Ludwigsbrücke über die Regnitz war er stark beeindruckt und hatte sein künftiges Lebenswerk vor Augen. Er fertigte von der Brücke eine sorgfältige Studie an ergänzte diese mit einem Kostenvoranschlag. Das Ganze reichte er als Abschlussarbeit ein. Johann bestand die Prüfung mit Auszeichnung und erhielt den geschätzten Grand eines Zivil-Ingenieurs.

Mit 21 Jahren konnte Johann als Hilfsingenieur im Regierungsbezirk Arnsberg/Westfalen in den Staatsdienst eintreten. Er legte 1828 den Entwurf einer eisernen Kettenbrücke über die Lenne bei Finnentrop vor. Kurze Zeit später plante und berechnete er ausführungsreif einen weiteren Entwurf einer einspurigen Kettenhängebrücke über die Ruhr bei Freienohl. Nachdem beide Entwürfe abgelehnt wurden, war er sichtlich enttäuscht. Die Aussichten für einen jungen Ingenieur waren aufgrund der politischen Lage in Deutschland zwischen 1830 und 1848 sehr begrenzt. Im Winter 1830 traf er seinen Jugendfreund Johann Etzler aus Nordamerika, der in Mühlhausen zu Besuch weilte. Der Freund schwärmte ihm vor: Nordamerika sei das Land aller Träume. trotz Auswanderungsverbot für Fachkräfte fasste er den Entschluss, mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Karl der Heimat den Rücken zu kehren. Die städtischen Behörden waren Johann Röbling gut gesonnen und ließen ihn mit den anderen auswandern. Viele Bürger von Mühlhausen wünschen am 11. Mai 1831 den beiden Brüdern mit einer Gruppe von 44 Freunden eine gute Reise. Das Segelschiff „August Eduard“ verließ Bremen am 23. Mai. Mit 92 Passagieren erreichte das Schiff am 6. August Philadelphia/Pennsylvania.

Johann Röbling und sein Bruder Karl brachen mit der kleinen Kolonistengruppe nach Pittsburgh/Pennsylvania auf. In der Nähe – 40 Kilometer nordöstlich der Stadt – kaufte Johann ein wildes und hügeliges Gelände. Zusammen mit den Siedlern wurde eine Kolonie errichtet, die zuerst „Germania“ hieß, und zur Siedlung „Sachsenburg“ ausgebaut wurde. Heute liegt das kleine Städtchen mit 1600 Einwohnern in der Region Butler County/Pennsylvania und trägt den Namen „Saxonburg“. Für die Siedler folgten bittere Jahre der Einsamkeit und sehr viel Arbeit. Auf der Röbling-Farm trafen im Sommer 1832 neue Kolonisten aus Bremen ein. Im folgenden Frühjahr war die Familie des Schneiders Ernst Horting mit drei Töchtern aus der Heimat nachgekommen. Der 29-jährige Johann heiratete im Mai 1836 die 19-jährige Johanna Herting, die älteste Tochter des Schneiders. Die Familie hatte sieben Kinder groß gezogen. Das erste Kind, Washington Augustus Roebling kam am 26. Mai 1837 in der Siedlung zur Welt. Die Anstrengungen der deutschen Kolonisten aus Thüringen, Sachsen und Westfalen zahlte sich mit den Jahren aus. Mit der Siedlung ging’s langsam aufwärts.

In der Siedlung „Sachsenburg“ hatte Johann sechs Jahre lang kein persönliches Weiterkommen gesehen. Im September 1937 wurde er Bürger der Vereinigten Staaten. Johann änderte seinen Namen in John und seinen Nachnamen in Roebling. Von 1837 bis 1839 plante und stellte John drei kleine Kanäle für die Verwaltung der Wasserstraßen in Pennsylvania fertig. Danach bekam er eine Abstellung als Feldmesser. Man war mit seinen Vermessungsarbeiten zufrieden und beauftragte ihn, eine Eisenbahntrasse für die Strecke von Pittsburgh nach Harrisburg zu planen. Mit der Rückkehr zum Ingenieurberuf wuchsen seine Zuversicht und sein Selbstvertrauen.

Er schrieb 1840 seinen ersten Fachartikel über Hängebrücken, der im American Railroad Journal abgedruckt wurde. Eine ausgezahlte Erbschaft aus Deutschland war ihm eine Starthilfe für den Aufbau einer Werkstatt in der Siedlung „Sachsenburg“. Dies war 1841 die Geburt der ersten Drahtkabelfabrik in Nordamerika mit 18 Arbeitern (später in Trenton).

Mit 38 Jahren beteiligte sich John an der Ausschreibung für die Pittburgher Kanalhängebrücke. Er entwarf die ersten Pläne, stellte Berechnungen an und baute sich ein Brückenmodell. Seine Pläne wurden im August 1844 genehmigt – allerdings mit der Auflage, dass die Brücke im Mai 1845 fertig sein musste. Sie hatte sieben Öffnungen von je 49 Meter Länge und wurde termingerecht übergeben. Der Holztrog der Brücke war für die ungeheure Wasserlast perfekt ausgelegt, so dass die Kanalboote ungehindert passieren konnten. Die beiden Tragkabel hatten eine Dicke von 18 cm. Das neue Drahtkabelverfahren wurde danach in der Praxis bei den größten Brücken der Welt angewandt.

Im April 1845 wurde die alte Holzbrücke über den Monongahela River in Pittsburgh an der Smithfield Strasse durch ein Feuer zerstört. John bekam den Auftrag für die erste Strassenbrücke in Pittsburgh. In acht Monaten baute er auf den Pfeilern der früheren Konstruktion eine Hängebrücke mit acht Öffnungen von je 57 Meter Länge. Danach stellte John von 1848 bis 1850 vier Kanalhängebrücken für die Hudson Canal Company fertig, um Kohle über Wasserwege nach New York transportieren zu können.

Zu Beginn des Jahres 1850 bestand großes Interesse, das amerikanische und kanadische Eisenbahnnetz zu verbinden. Dabei war es notwendig eine Eisenbahnbrücke über die 75 m tiefe Niagara-Schlucht zu bauen – drei Kilometer unterhalb der gigantischen Wasserfälle. Vier Ingenieure beteiligten sich an der Ausschreibung. Ein Jahr später entschied man sich für Johns Pläne. Er hatte eine Hängebrücke als Doppelstockbrücke für die Überbrückung der 245 Meter breiten Schlucht gewählt. Das Oberdeck war für die Eisenbahn geplant, das Unterdeck für den Fahrverkehr und die Fußgänger vorgesehen. Die Bauarbeiten begannen 1851 und nahmen vier Jahre in Anspruch. Der erste Eisenbahnzug fuhr am 16.März 1855 über die Niagara-Brücke . Die Hängebrücke hatte eine Spannweite von 250 Meter und erreichte eine Gesamtlänge von 393 Meter. Die gesamte Konstruktion wurde von vier Tragkabeln getragen, die jeweils 25 Zentimeter dick waren. Sie mussten aus England besorgt werden. Diese Brücke war die erste Drahtkabel-Hängebrücke mit einem Versteifungssystem.

Ende August 1856 wurde mit dem Bau einer Hängebrücke über den Ohio-River in Cincinnati/Ohio begonnen. Nach 18 Monaten waren die Arbeiten an der Brücke fünf Jahre lang wegen Geldmangel, Wirtschaftskrise und Bürgerkrieg unterbrochen. Im Frühjahr 1858 fuhr der älteste Sohn, Washington Augustus Roebling, nach Pittsburgh, um seinem Vater beim Bau der Allegheny-Brücke zu helfen. John war glücklich – Vater und Sohn arbeiteten zusammen am Bau einer Drahtkabelbrücke, die im Mai 1860 eröffnet wurde. Die 12 Meter breite Allegheny-Brücke war eine 314 m lange Straßenbrücke. Sie überraschte den Betrachter mit sechs Türmen und zwei Öffnungen, die insgesamt 210 Meter lang waren. Ein besonderer Blickfang waren die etwa 14 Meter hohen gusseisernen Türme – reich verziert und extravagant.

Im Februar 1865 fuhr Washington zu seinem Vater nach Cincinnati, um bei der Vollendung der Ohio-Brücke zu helfen. Die Brücke zwischen den Nachbarstädten Cincinnati/Ohio und Covington/Kentucky wurde mit einer Spannweite von 322 Meter am Neujahrstag 1867 eröffnet. Sie war zu ihrer Zeit die größte Hängebrücke der Welt und ohne Zweifel in architektonischer sowie konstruktiver Hinsicht die schönste ihrer Klasse.

John hatte in 23 Jahre – von 1844 bis 1867 – fünf Kanalhängebrücke, drei Straßenhängebrücken und eine Eisenbahnbrücke gebaut. Kein anderer Brückenbauer hatte in jener Zeit einen solchen Rekord aufzuweisen. Er begann allmählich die Arbeitslast zu spüren. An einem kalten Wintertag 1852 fuhr John mit seinem 15-jährigen Sohn Washington mit dem Fährschiff auf dem East River von Manhattan nach Brooklyn, um einen Vetter zu besuchen. Die stundenlange Überfahrt war durch Eisschollen stark behindert. Der Vater erklärte seinem Sohn, dass er sich gut vorstellen könnte, hier eine große Brücke zu bauen. Im Juni 1857 wird Johns Bericht im New Yorker Journal of Commerce veröffentlicht, der ausführlich das Bauprojekt über den East River zwischen Brooklyn und Manhattan beschrieb. Die Kosten für das Projekt schätzte er auf vier Millionen Dollar. Im Dezember 1866 wurde es in Gang gesetzt. John wurde 1867 zum Chefingenieur ernannt.

John zog nach New York und begann mit den Vermessungen und Plänen für die große Brücke. Sein Sohn Washington reiste im Sommer 1867 für neun Monate nach Europa, um das neue Druckluftverfahren für die Gründung der Brückenpfeiler unter Wasser zu studieren. Auf seinen Reisen fuhr er mit seiner schwangeren Frau Emily auch nach Mühlhausen. Dort kam am 21. November 1867 das einzige Kind der jungen Familie, ihr Sohn mit dem Namen John A. Roebling II (1867-1952), zur Welt.

Sein ganzes Leben lang hatte John mit Hochdruck gearbeitet. Es wurde ihm mehr und mehr bewusst, dass jede Stunde kostbar war – so als habe er eine Warnung des Schicksals erhalten. Seine Pläne waren im September 1867 fertig, wurden allerdings erst im Mai 1869 genehmigt. Die vorläufigen Baukosten hatte er auf sieben Millionen Dollar geschätzt. Sein Sohn war mit den Plänen gründliche vertraut, denn er hatte bei der Anfertigung mitgearbeitet.

Am 20. Juni 1869 wurde nach jahrelangen Verhandlungen die Baugenehmigung für die Brücke erteilt. Es fand zwei Tage später eine abschließende Vermessung der Brückenlinie statt. Am 28. Juni kam es zum tragischen Unfall. John wollte den Standort des Brooklyn Turmes mittels eines Theodoliten festlegen. In seine Arbeit vertieft, hatte er den schrillen Signalton eines heranfahrenden Fährschiffes, welches bei hohem Wellengang gegen die Anlegestelle gedrückt wurde, nicht beachtet. Die warnenden Rufe seines Sohnes hatte er überhört. Er stand mit seinem Winkelmessgerät auf den Pfählen der Fähranlegestelle, als ihm durch die verschobene Landungsbrücke sein rechter Fuß eingeklemmt und zerquetscht wurde. man brachte den verletzten John in das Haus seines Sohnes, der in 137 Hicks Street in Brooklyn wohnte. Die Fußzehen mussten im amputiert werden. Eine Vielzahl von Bazillen gelangten in die Quetschwunde, sodass eine Blutvergiftung nicht zu verhindern war. Er lehnte es hartnäckig ab, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Da bei ihm sogar die Kiefersperre einsetzte, konnte er weder essen noch schlucken. Mit eisernem Willen kämpfte er ums Überleben. Der große Baumeister starb nach drei Wochen furchtbarer Schmerzen am Donnerstagmorgen des 22. Juli 1869 in Brooklyn an Wundstarrkrampf.

Es bedurfte eines führenden Geistes, das Bauprojekt weiter voranzutreiben. Und da kam nur sein Sohn Washington in Betracht. Der begabte 32-jährige Ingenieur war für die große Aufgabe vorbereitet worden. John übertrug seinem Sohn auf dem Sterbebett die Vollendung des Bauwerks. Im August 1869 wurde Washington Roebling offiziell zum Nachfolger seines Vaters als Chefingenieur ernannt. Von diesem Tag an lebte er nur für die Brooklyn-Brücke. Mit dem Bau wurde am 3. Januar 1870 begonnen. Der Sohn hatte zwei Jahre später den von seinem Vater aufgestellten Kostenvoranschlag auf 9,5 Millionen Dollar korrigiert. Mit dem Grunderwerb von 3,5 Millionen Dollar waren die voraussichtlichen Gesamtkosten der Brücke auf 13 Millionen Dollar kalkuliert worden.

Für die Pfeilergründung unter Wasser wurde ein umgestülpter Cassion (senkasten) – ähnlich einer Taucherglocke – erstmals aus Holz eingesetzt. Der Senkkasten hatte die Abmessung: 51 Meter lang, 31 Meter breit und 13 Meter hoch. Seine Größe mit etwa 1600 Quadratmeter Grundfläche und das Gewicht von fast 3000 Tonnen waren für dieses Bauprojekt eine Neuheit und gigantisch in jener Zeit. Die unten offene Arbeitskammer – etwa 3 Meter hoch – wurde bis zum Flussgrund hinab gelassen und das Wasser durch Druckluft herausgepresst. Über einen Einstiegsschacht gelangten die Arbeiter in den Senkkasten, um das Flussbett aushöhlen zu können. Sie mussten sich langwierigen Druckausgleichsprozeduren unterziehen, damit sie unter den erschwerten Bedingungen arbeiten konnten. Je tiefer die Männer gruben, desto tiefer sank der Kasten. Oben schichteten die Maurer Stein auf Stein, um den Brückenturm in die Höhe wachsen zu lassen. Das Aushubmaterial wurde durch einen mit Wasser gefüllten Förderschacht nach oben transportiert. hatte der Senkkasten festen Baugrund im Flussbett erreicht, wurde er mit Beton gefüllt und so zu einem stabilen Fundament für den Brückenpfeiler.

Im Dezember 1870 brach ein Feuer in der Holzkonstruktion des Senkkastens aus. Der Chefingenieur ordnete die Flutung der kompletten Baustelle an. Kurz danach brach Washington Roebling bewusstlos im Senkkasten zusammen. Am nächsten Morgen erholte er sich wieder. Die Reparaturarbeiten dauerten drei Monate.

An einem Nachmittag im Sommer 1872 musste der Chefingenieur ein zweites Mal fast bewusstlos aus dem Senkkasten getragen werden, nachdem er dort mehrere Stunden zugebracht hatte. Er war ein Opfer der gefürchteten Taucherkrankheit geworden. Die ganze Nacht rang er mit dem Tode. nach einigen Tagen erholte er sich wieder. Er musste erkennen, dass seine Gesundheit zerschmettert war. Seine körperliche Leistungskraft war mit 35 Jahren erschöpft – er blieb jahrelang hüftabwärts gelähmt. Fortschreitende Erblindung und Taubheit setzten ein. Seine Stimmbänder waren angegriffen und jeder Nerv und Muskel von Schmerz gefoltert.

Der Chefingenieur war hilflos – nur sein kämpferischer Geist und seine enorme Willenskraft waren geblieben. Er arbeitete mit Eifer, Stolz und Ehre an dem Projekt weiter – seine Frau hielt aus der Ferne den Kontakt zur Baustelle aufrecht. Die Arbeiten an der Brücke in New York waren ohne das Ehepaar fortgesetzt worden. Washington zog im Sommer 1877 mit Emily in das Haus 110 Columbia Heights in Brooklyn ein. Der junge Chefingenieur konnte sein Haus nicht mehr verlassen – er war bettlägerig. Den Baufortgang der Brücke verfolgte er mittels Teleskop vom Schlafzimmerfenster im 2. Stock des Hauses aus einer Entfernung von 800 Meter. Mit Geduld und starker Willenskraft hatte er bis Ende 1877 sein Ziel erreicht, alle Notizen und Anweisungen entsprechend den Brückenplänen seines Vaters von seiner liebenvollen Frau aufschreiben zu lassen. Es war für ihn eine große Erleichterung, dass er alle noch ausstehenden Bauabschnitte im Detail für den Mitarbeiterstab vorbereitet hatte. Im alter von 34 Jahren konnte sich Emily Kenntnisse in höherer Mathematik aneignen. Ihr Mann gab ihr Unterricht, um die wichtigsten Grundelemente des Brückenbaus kennen zu lernen. Wenn es notwendig war, ging sie wöchentlich zu Brücke, überbrachte die Anweisungen den Ingenieuren und informierte Washington über den Fortgang auf der Baustelle.

Das Fundament des Brooklyn Turmes lag 14 Meter tief unter der Wasseroberfläche und war im März 1871 vollendet. Dagegen befand sich 24 Meter tief im Wasser das Fundament des Manhattan Turmes, welches im Juli 1872 fertig gestellt war. Die fünfjährige Bauzeit der beiden Türme war im Juni 1875 beziehungsweise im Juli 1876 zu Ende. Der Brooklyn Turm hatte ein Gewicht von 70000 Tonnen, der Manhattan Turm von 93000 Tonnen. Die Höhe der Türme betrug 84 Meter (über dem Wasserstand) und die Brückenbreite fast 26 Meter. Etwa 41 Meter über dem East River lag das Fahrbahndeck. Konstruktion der Brücke erreichte – ohne die Brückentürme – ein Gesamtgewicht von etwa 14680 Tonnen. Das Kabelspinnverfahren für die Herstellung der Tragkabel, welches ursprünglich der Franzose Louis J. Vicat im Jahr 1841 zum Patent angemeldet hatte, wurde erstmals in der Praxis angewandt. Die Arbeiten begannen im Juli 1877 und waren im Oktober 1878 abgeschlossen. Ein Tragkabel bestand aus 19 Strängen kalt gezogenen Stahldraht, wobei jeder Draht mit einem Zinküberzug gegen Rost geschützt war. An riesigen Ankerplatten waren die 40 Zentimeter dicken Tragkabel im Mauerwerk eingelassen.

Die Fahrbahnträger waren am 10.Dezember 1881 eingebaut worden. Der gelähmte Chefingenieur schickte am nächsten Tag seine Frau zur Brückenüberquerung. Sie konnte in Begleitung von elf Treuhändern und den Ingenieuren das mächtige Bauwerk auf einem Bohlensteg überqueren.

Von 1877 bis 1882 war man mit den Brückenauffahrten beschäftigt. Die Brücke bleibt das schönste Denkmal ihrer Zeit und gilt als eines der größten Werke der Ingenieurbaukunst. Der neugotische Stil der massiven Granittürme mit ihren Doppelbögen, die ähnlich wie Kirchenfenster gestaltet sind, steht in eindrucksvollem Kontrast zu allen Bauteilen der Brücke. Das filigrane Netzwerk mit den 1500 vertikalen Hängegurten und den 400 diagonal gespannten Schrägseilen wirken auf den Betrachter wie ein Spinnennetz. Sie bringen die Leichtigkeit der Stahlkonstruktion optimal zur Geltung. Der amerikanische Lyriker Hart H. Crane hat die Brücke mit einer Stahlharfe verglichen.

Die Brooklyn Brücke war 1883 mit einer Spannweite von 486 Meter zwei Jahrzehnte die längste Hängebrücke der Welt und die erste aus Stahl. Sie erreichte mit den Seitenöffnungen eine Gesamtlänge von 1053 Metern. Der amerikanische Schriftsteller Thomas C. Wolfe rief begeistert aus: „Großer Gott, das ist die einziger Brücke, die Macht, Leben und Freude symbolisiert.“