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22.01.2024: Technisches Update für die weltberühmte Kettenbrücke in Budapest
Die weltberühmte Kettenbrücke in Budapest wurde grundlegend saniert – sowohl kunsthistorisch als auch in ihrer Funktion. Die technisch größte Herausforderung waren die Brückenlager. Sie mussten sich in die vorhandene Bausubstanz einfügen und dabei spezielle Funktionen übernehmen, z.B. gegen abhebende Kräfte schützen. MAURER entwickelte dafür maßgeschneiderte MSM®-Kalottenlager.
Die Kettenbrücke über die Donau in Budapest ist ein nationales Symbol. Jeder im Land kennt die älteste und berühmteste der 9 Hauptstadt-Brücken, entsprechend sensibel waren alle Beteiligten bei der umfassenden Sanierung.
Die Kettenbrücke ist knapp 15 m breit und 380 m lang. Im Rahmen der Sanierung und Instandsetzung der Stahltragwerke wurden die Brückenlager und Dehnfugen ausgetauscht sowie die Stahlbetonkonstruktion der Fahrbahn durch eine orthotrope Stahldeckkonstruktion ersetzt. Dabei brachte die historische Bausubstanz eine Reihe von Herausforderungen mit sich, die bei der Planung sowohl der Lager als auch der Dehnfugen berücksichtigt werden mussten.
Lager: Spezialfall abhebende Kräfte
Eine der größten technischen Herausforderungen waren die Lager. Sie müssen in alle Richtungen beweglich sein, Rotationen ausgleichen sowie Auflasten von bis zu 1.000 KN aufnehmen. All diese Anforderungen erfüllen heute MSM®-Kalottenlager – allerdings nur, wenn die Lager in den Gleitflächen immer exakt und schlüssig aneinander liegen.
Doch an der Kettenbrücke treten regelmäßig abhebende Kräfte auf. Diese resultieren daraus, dass alle Tragseile und Brückenträger aus Stahl sind, also temperaturempfindlich. Weil die Seile sich verlängern bzw. verkürzen, hebt und senkt sich die Brücke im Jahreslauf. Und auch das etwa 1 m hohe Tragwerk verändert seine Höhe um mehrere Millimeter. Die beiden Hauptstahlträger reichen in die Pylonen hinein und liegen dort auf den Lagern, allerdings in einer ganz besonderen Konfiguration: An jedem Auflagerpunkt befindet sich nicht nur unterhalb des Trägers ein Lager, sondern auch darüber. Die Kettenbrücke liegt also je nach Lastfall entweder auf den unteren Lagern oder drückt gegen die oberen.
Konkret treten abhebende Kräfte z.B. auf, wenn sich im Herbst die Tragseile verkürzen und die Brücke sich hebt. Fährt dann noch ein Bus über die Brücke, finden sehr schnelle Lastwechsel zwischen aufliegenden und gleich wieder abhebenden Kräften statt. Diese ständigen und häufigen Lastwechsel führen bei normalen Lagern zu Verschleiß. Damit die Lagerkomponenten in jedem Lastfall und insbesondere bei abhebenden Kräften immer in einem komprimierten Zustand sind, wurden sie mit speziellen Federn und Führungssystemen ausgestattet, was Verschleiß verhindert. „Es war eine große Herausforderung, die Zahl und die Auswirkungen der Busüberfahrten für die Lebenszeit der Lagerkomponenten zu berechnen“, berichtet MAURER-Projektleiter Csaba Simon. Die genaue Spezifikation der Lager wurde in enger Abstimmung zwischen dem Generalunternehmer und MAURER erarbeitet.
Installation: Enge und Unebenheiten
Die Installation der Lager von Juli bis September 2022 barg zwei weitere Herausforderungen: die Auflagerpunkte und die Anbindung an das alte Bauwerk.
Die Auflagerpunkte im Pylon waren schwer zugänglich und es war sehr wenig Platz. Nur Monteure mit kleinerer Körpergröße konnten dort überhaupt arbeiten. Zudem waren die alten Verbindungsstahlkonstruktionen uneben. Um eine optimale Lastübertragung von den Brückenträgern auf die neuen Lager sicherzustellen, ist jedoch eine absolut kraftschlüssige Verbindung erforderlich. Die Unebenheiten wurden mit einer speziellen Spachtelmasse ausgeglichen, sog. kaltem „Multimetall“.
Insgesamt lieferte MAURER 32 MSM®/MSA® Kalottenlager mit Vorrichtungen gegen abhebende Kräfte. Der moderne Gleitwerkstoff MSM® (MAURER Sliding Material) kann extrem hohe Pressungen aufnehmen, deshalb konnten die Lager klein gebaut werden. Die Gleitlegierung MSA® ist korrosionsbeständig und extrem verschleißfest.
Die oberen und unteren Lager unterscheiden sich nur in ihrer Größe, nicht aber in der technischen Spezifikation. Sie sind bis zu 640 x 300 mm groß, wiegen bis zu 113 kg und nehmen eine Last von bis zu 1.000 KN auf. Sie können bis zu 150 mm in Längsrichtung und 200 mm quer gleiten und sich um 30 mrad in alle Richtungen verdrehen.
Dehnfugen: angepasste Geometrie
Auch die neuen Dehnfugen an der historischen Ketten-brücke kommen von MAURER, nicht zuletzt deshalb, weil das Unternehmen in Ungarn für seine Qualität und technische Kompetenz bekannt ist. MAURER hat z.B. die größten Dehnfugen im Land mit Bewegungen von bis zu 1.400 mm geliefert. Bei der Kettenbrücke ging es vor allem darum, die Dehnfugen an die komplexe Geometrie der historischen Bausubstanz anzupassen.
Eingebaut wurden 4 MAURER DT160 HYBRID Dehnfugen an den Pylonen und 2 MAURER D100 HYBRID Dehnfugen an den Widerlagern. „DT“ bedeutet, dass Druck-Schub-Federn von der Hauptbewegungsrichtung abweichende planmäßige Bewegungen aufnehmen können, wodurch Führungen bei den Lagern entfallen konnten. „Hybrid“ bezieht sich auf das Material: Die Profilköpfe inklusive Halteklauen bestehen aus rostfreiem Stahl, das heißt: Die Dehnfuge ist da, wo sie mit Verkehr und Nässe in Berührung kommt, vor Korrosion geschützt. Die Dehnfugen gehen über die gesamte Brückenbreite und wiegen bis zu 2,6 t.
„Insgesamt war es auch eine Herausforderung, all die historischen Besonderheiten, die mit einem modernen Neubau nicht zu vergleichen sind, und die komplexen Konsequenzen daraus mit allen abzustimmen: vom Denkmalschutz über Konstruktion und Produktion bis zur Montage“, berichtet Csaba Simon. „Man darf nicht vergessen, dass die meisten Beteiligten dabei in einer Fremdsprache kommunizierten: Englisch war die Projektsprache bei MAURER, aber nicht selten wurde auch ungarisch oder deutsch gesprochen.“
Bauherr war die Stadt Budapest (Budapest Főváros Önkormányzata), Auftraggeber A-HÍD Zrt. Eingeweiht wurde die sanierte Kettenbrücke im August 2023.
Die alte Brücke in neuem Glanz im September 2023 nach der Wiedereröffnung. Links einer der ikonografischen Löwen. Foto: MAURER
Mehr Platz gab es nicht: Extrem enge Raumsituation an einem Lager unter einem Stahlträger ... Foto: MAURER
… und auch an dem oberen Lager ist die Situation nicht besser. Foto: MAURER
Einbau einer Dehnfuge an den sanierten Brückenenden – rechts eine eingebaute Dehnfuge. Foto: MAURER
Brücke: 164